Nach Missbrauchs-Urteil: Amazon schmeißt Buch von Psychologen raus
Amazon nahm ein absurdes Buch des wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Saarbrücker Psychologen Walter P. aus dem Sortiment.
München/Saarbrücken. Vergangenen Freitag wurde der Saarbrücker Psychologe Walter P. vom Landgericht Saarbrücken wegen schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Therapeut hat sich zwischen 2005 und 2006 an einem damals acht Jahre alten Jungen vergangen, der bei ihm in Langzeit-Therapie wegen einer Lese- und Schreibschwäche war (K’RUF berichtete ausführlich über den Fall).
Als Beweis für P.’s pädophile Neigungen diente unter anderem ein Buch, das der Angeklagte geschrieben hat. In diesem verteidigt er Pädophilie, heißt sexuelle Handlungen mit Kindern gut und vergleicht Missbrauchsprozesse mit den Hexenprozessen der frühen Neuzeit.
Das verstörende Buch war sogar über Amazon erhältlich, als Taschenbuch und in der Kindle-Version. Nun hat der Versandriese reagiert und das Werk aus dem Angebot genommen. Das bestätigte eine Sprecherin der Amazon-Zentrale in München gegenüber K’RUF.
Warum konnte das Buch überhaupt über Amazon verkauft werden? Für die Inhalte von Büchern macht das Unternehmen die Autoren beziehungsweise Verkäufer selbst verantwortlich. In den Inhaltsrichtlinien von Amazon heißt es: “ […] Sie sind dazu verpflichtet sicherzustellen, dass Ihre Inhalte nicht gegen Gesetze […] verstoßen […]“ Pädophilie und darüber zu schwadronieren ist zwar pervers, aber keine Straftat. Strafrechtlich relevant sind erst tatsächliche sexuelle Handlungen mit Kindern. (mjo)
Meinung: Bei P.’s Buch könnte allerdings § 131 des Strafgesetzbuches (StGB), der Gewaltdarstellungen und Gewaltverherrlichungen verbietet, zum tragen kommen. Darin heißt es: „[…] eine Schrift […], die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen […] in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt […] “ Das gilt nicht nur für Bilder, Filme und Spiele, sondern auch für Texte. Ein strittiger Punkt bei der Strafwürdigung könnte allerdings die Kunstfreiheit sein. Ein Sachverhalt für findige Juristen, die sich nicht nur mit Computerspielen und Filmen beschäftigen möchten.
Michi Jo Standl
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Quelle: Bundeskriminalamt, PKS 2019
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