pädophilie
Symbolbild: StockSnap/pixabay.com
Crime

Pädophilie: Die verstörenden Thesen des Angeklagten P.

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Im Fall des in Saarbrücken wegen Kindesmissbrauchs angeklagten Psychiaters will Nebenklageanwalt Prof. Dr. Christian Laue anhand eines kruden Buches des Beschuldigten beweisen, dass dieser tatsächlich pädophil ist.

Von Michi Jo Standl

+++ Update 11. Dezember 2020: Der Angeklagte wurde vom Landgericht Saarbrücken verurteilt. Lesen Sie mehr dazu hier. +++

Saarbrücken. Vor der Großen Jugendkammer II des Landgerichts Saarbrücken ist der 74-jährige Psychologe Walter P. wegen schwerem sexuellen Missbrauchs an Kindern angeklagt. Der Vorwurf: Er soll zwischen 2004 und 2006 einen Jungen, der bei ihm in Langzeit-Therapie war, missbraucht haben. Die Frage bei Missbrauchsprozessen ist meist: Haftstrafe oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus? Oft läuft das Urteil auf letzteres hinaus. Der Anwalt der Nebenklage, Prof. Dr. Christian Laue, der das damalige Opfer (heute 23) vertritt, sagt: „P. ist nicht krank, er ist ein echter Pädophiler“. Und das will der Jurist anhand eines Buches beweisen, das der Angeklagte 2019 veröffentlicht hat. Laue hat die Lesung des Buches als Beweisantrag gestellt.

Angeklagter vergleicht Missbrauchsprozesse mit Hexenprozessen

P. vergleicht in dem Werk, das wenn man auch nur einen Gedanken daran verschwendet, für Schaudern sorgt, Missbrauchsprozesse mit den Hexenprozessen und der Hexenverfolgung der frühen Neuzeit. Er versteht die strafrechtliche Verfolgung von Kindesmissbrauch nicht. Er verteidigt geradezu Pädophilie, hält sie für normal. Der Angeklagte beruft sich bei seiner Argumentation auch auf – aus heutiger Sicht natürlich mehr als umstrittene – „wissenschaftliche Erkenntnisse“ früherer Zeiten. Unter anderem stützt er sich auf die Ansicht, dass Kinder und Jugendliche über ihre Sexualität selbst bestimmen könnten. Aufgrund der Argumente des Beschuldigten schreibt ihn Laue der Pädophilenbewegung zu.

„Pädophilie hat vorerst keinen Krankheitswert“, so Laue. „Eine der Meinungen der Bewegung, dass die schädlichen Folgen für Kinder durch Missbrauch aus wissenschaftlicher Sicht nicht wahr seien, ist eine der typischen Argumentationen“, erklärt der Jurist. P. zieht in dem Buch auch Vergleiche zur Tierwelt. Er philosophiert über die Erkenntnisse eines bekannten Primatologen, dass es bei Languren (Anm. asiatische Affenart) in homosexuellen Gruppen auch zwischen alten und jungen Tieren zu sexuellen Kontakten käme. Dies führe zu Vertrautheit und stärke den Zusammenhalt. „Auch der Vergleich mit Tieren ist ein typisches Merkmal der Pädophilenbewegung“, weiß Laue. „Der Angeklagte verteidigt solche Argumente auf einem intellektuell hohen Niveau.“. Der Rechtsanwalt hofft, dass die Kammer dem Beweisantrag stattgibt. „Denn das alles lässt bei mir den Schluss zu, dass es sich bei P. um einen echten Pädophilen handelt. Und das wäre ein Indiz, dass es tatsächlich zu den geschilderten Taten gekommen ist.“ Das Ziel Laues ist eine Haftstrafe und nicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

P. soll vor angehenden Therapeuten Pädophilie verteidigt haben

2012 wurde P. vom Landgericht Saarbrücken schon einmal in der gleichen Sache zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) kippte das Urteil. Die Begründung: Ein fehlendes Glaubwürdigkeitsgutachten vom Opfer. Den Bundesrichtern waren damals die Aussagen „zu unvollständig“. Sie gaben die Sache an das Saarbrücker Landgericht zur Neuverhandlung zurück. Doch diese war damals nicht möglich. P. hielt eine Attest in Händen, das ihm „Verhandlungsunfähigkeit aufgrund von Depression und Angststörungen“ bescheinigte. Erst in diesem Jahr wurde die Diagnose durch ein psychiatrisches Gutachten relativiert. Obwohl durch die Entscheidungsphase des Bundesgerichtshofes und die Verhandlungsunfähigkeit das Verfahren nie unterbrochen war, wurde gegen P. nie ein Berufsverbot ausgesprochen. Bis heute nicht, wie die Psychotherapeutenkammer des Saarlandes (PTK) auf Anfrage bestätigte. Er konnte weiter tätig sein. So auch in einer Schule für psychotherapeutische Heilpraktik, die Eva Nitschinger, selbst Psychologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie, leitete. Heute betreibt sie eine Online-Akademie in diesem Ausbildungsbereich.

Die gebürtige Österreicherin Nitschinger kennt  P. schon länger. „Ich fiel aus allen Wolken, als ich von dem Prozess hörte“, erzählt sie. In ihrer Schule referierte Walter P. zweimal vor angehenden Heilpraktikerinnen für Psychotherapie über Tiefenpsychologie. „Ich habe Walter P. über das Internet gefunden, weil ich nach Dozenten für Tiefenpsychologie suchte“, so Eva Nitschinger. Sie fand ihn sympathisch und fragte ihn, ob er ihre Schülerinnen diesbezüglich schulen möchte. „In der ersten Unterrichtseinheit war ich dabei und ich war schockiert!“ Er soll im Unterricht davon gesprochen haben, dass Kindesmissbrauch eine „Modediagnose“ sei und dass Kinder das auch manchmal wollen, was „Missbrauch“ genannt wird. Laut Nitschinger soll P. auch sinngemäß gesagt haben, dass Sex mit Kindern nicht schädlich sei, wenn man es nicht mit Gewalt macht. Sie würden dadurch in das Thema „Sexualität“ von jemandem, „der weiß, wie es geht“, eingeführt werden, was nicht das Schlechteste sei. „Die Einstellung P.s geht gar nicht“, sagt Eva Nitschinger weiter, aber ich hätte natürlich niemals dran gedacht, dass er das auch gemacht hat oder machen würde“, sagt sie immer noch schockiert. „Später haben wir uns mal auf ein Bier getroffen, ich fragte ihn nochmals, wie er das mit der ,Modediagnose‘ meint“ Er habe halt eine andere Meinung, soll P. gesagt haben und er kenne sich bei dem Thema gut aus, sehe es von einer anderen Perspektive. „Es war ziemlich schräg, was er sagte, ich habe den Kontakt zu ihm abgebrochen“, resümiert die Therapeutin und hofft, dass die Sache aufgeklärt wird.

+++ UPDATE 27. OKTOBER 2020: Die Kammer hat am 27. Oktober dem Antrag Prof. Dr. Christian Laues, das Buch als Beweis zuzulassen, stattgegeben. Lesen Sie mehr dazu hier. +++

 

Psychologe Walter P. vor einer der vergangenen Verhandlungen, versteckt unter seinem Pullover. Foto: Standl

Nach Missbrauchs-Urteil: Amazon schmeißt Buch von Psychologen raus

Michi Jo Standl
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